Chor des Bundestages, Sonderprobe von 10:20 Uhr bis 15:30. Für die Mittagspause soll jedes Mitglied etwas zum "Picknick" mitbringen. Picknick, ha! Dass ich nicht lache! ICH habe einen Obstsalat mitgebracht. Die Hälfte des Chores selbstgebrannte Obstliköre. Kann ja keine ahnen, dass das als bring-bottle-Party gemeint war... Jedenfalls singt es sich so halb betrunken ganz gut durchs "Gloria", sogar im Sopran. Schwierig wurde es dann nur bei den Wiederholungen ("Hups, wo ist nochmal Seite 14? Hick... ah ja, hier... nee... oh je... ").
Weihnachten kann kommen.
sakra - 25. Okt, 14:12
Der Weg zur Fraktionssitzung war ja schon aufregend, die Fraktionssitzung an sich aber auch interessant. Zunächst einmal ist der Fraktionssaal riesig – etwa 200 Quadratmeter. 144 Abgeordnete, davon 2/3 Männer, und ihre Egos brauchen Platz. Ich hatte Zeit, die Wandpaneele zu zählen, zu schätzen und zu rechnen und mich nebenbei etwas wegen meiner Turnschuhe zu winden. Mit Klettverschlüssen! Hammercool, aber ich fiel etwas aus dem Rahmen.
Der Ablauf ist ungefähr so: der Fraktionsvorstand sitzt vorne, frontal zum gemeinen Abgeordnetenpack. Große, große Namen, einige habe ich bereits persönlich kennengelernt, andere kenne ich aus der Presse, einige sagen mir mal so gar nix. Aber auch total groß, das sieht man an den Namensschildern.
Der Parlamentarische Geschäftsführer spricht (den kannte ich bis dahin nur als den Mann, zu dem ich Kostenanträge für Veranstaltungen schicken muss, aber siehe - der scheint auch sonst wichtig zu sein), dann spricht der Fraktionsvorsitzende, dann wollen die Abgeordneten selber auch was sagen – relativ unspektakulär. Interessant aber alles, was drum herum passiert: Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, es wird gegessen, die Abgeordneten treffen sich in kleinen Grüppchen an Tischen von besonders beliebten Abgeordneten, es wird getuschelt und Absprachen getroffen. Auch das Parteioberhaupt verlässt ab und an seinen Platz, um jemanden an den Rand zu zerren und zu fraternisieren. Ganz offensichtlich ist eine Fraktionssitzung eine Gelegenheit, alle mal auf einen Haufen zu haben. Die Redebeiträge vorne stören bei dem offensichtlich wichtigen Geschehen im Saal kaum – muss halt sein, ne.
Sogar mein Personalmensch lief herum und fing alle ab, mit denen er noch sprechen musste, inklusive mich wegen des Termins zum Mittagessen. Die Stimmung: eher große Pause als ernsthafte Arbeit.
Ach ja, es ging um den Euro-Rettungsschirm. Das Ergebnis ist bekannt.
sakra - 22. Okt, 18:39
Grauenhafter Lärm ums Büro herum. Alarm, Alarm, aber irgendwie nicht so derbe dringlich, eher nervig. Ein dunkles Tuten. Ich denk so: joah. Von draußen. Die Baustelle.
Ich will zur Toilette und merke, der grauenhafte Lärm kommt aus dem Flur, und genau da stehe ich sehr alleine: auf weiter Flur. Die Nebenbüros sind leer, aber ein paar Gestalten tapern lässig durch die Gegend - ein Feueralarm ist es nicht. Ein Kollege weiß Bescheid: es ist der Ruf zur namentlichen Abstimmung. Alle MdBs haben im Plenum zu erscheinen, aber pronto! Es geht um den Rüstungsexport.
Meine Güte, ich kann so nicht arbeiten, belästigt durch die Konsequenzen der Undisziplin der Volksvertretenden. Das ist ECHT laut. Hallo...! Ich muss hier einen Gesetzesentwurf durcharbeiten, zur Gleichstellung. Also Ruhe bitte.
Danke.
sakra - 20. Okt, 12:27
In Berlin ist es noch viel ausgeprägter als in Hamburg: musizierende Menschen, die zum Geld verdienen die S-Bahn besteigen und loslegen. Das Angebot ist vielfältiger als im Norden: statt einer Südamerikanerin, die den lieben langen Tag die S31 befährt und "Marina" singt, bis man es nicht mehr ertragen will, ist hier so ziemlich alles vertreten: wahnsinnig schnell dudelnde Flötenspieler (das sind die schlimmsten), Akkordeone (das sind die lautesten), Gesingereien, Violinen, Kammer - äh, Bahn-Quartetts. Gestern gab es ein Novum: ein junger offensichtlich deutscher Mann stellte seinen neuen Song "Frei" mit Begleitung seiner Gitarre vor. Dazu fielen mir zwei Dinge auf.
Mein Gehirn verlangte, bevor ich es zur Ordnung rufen konnte, impulsiv danach, dem jungen deutschen Mann Geld zu geben. Schnell züchtigte ich es; ich gebe prinzipiell niemanden Geld, der mich in der Bahn akustisch belästigt und mich zwingt, zuzuhören. Aber erstaunlich, wie schnell ich da bereit bin, Zugeständnisse zu machen, wenn der Musiker optisch meinem Sozialisationshintergrund entspricht!
Weiterhin hatte der junge Mann seiner Meinung nach Star-Qualitäten und war ein echter Rocker. Ich hatte fast erwartet, dass er nach seiner Performance anfängt, seine CD zu verkaufen. Er war auch offensichtlich nicht gut auf die Bühne im ÖPNV vorbereitet, weil er sonst wahrscheinlich nur am Lagerfeuer und in Clubs spielt: sein Stück dauerte genau 1,5 Haltestellen lang, was natürlich blöd ist, weil die Hälfte des unfreiwilligen Publikums während des Liedes ausstieg.
Ich frage mich trotzdem: erreicht er damit vielleicht sogar mehr Leute als über Youtube? Kann er das für seine Biographie gut verwenden? "Mein erstes Geld mit der Musik verdiente ich in der Berliner S-Bahn..." Mal sehen. Ich verfolge das weiter.
Aber Geld gebe ich trotzdem nicht.
sakra - 19. Okt, 08:52
Siemens will seinen Anteil von Frauen in Führungspositionen in den nächsten drei Jahren von 10 auf 12% steigern. Volkswagen ist sich nicht zu schade, folgende Ziele zu formulieren: Obere Führungsebene 11 Prozent bis Ende 2020, mittlere Führungsebene 12 Prozent bis Ende 2020, untere Führungsebene 15 Prozent bis Ende 2020. Ausgenommen sind bei diesen Zahlen die Aufsichtsräte und Vorstände.
Na prima! Frau Schröder hat eine Wette gewonnen, also zumindest einen persönlichen Erfolg eingefahren. Aber sonst: was soll das denn, bitte? Das ist doch genau dieselbe Verhöhnung der Politik durch die Wirtschaft wie 2001, als das Gleichstellungsgesetz zu Gunsten von freiwilligen Selbstverpflichtungen gekippt wurde. Was so unelegant, aber effektiv umschifft wird: der Anteil von 30% Frauen, die eine Änderung der Führungskultur bewirken würden und damit ein frauen- oder familienfreundlicheres, also nennen wir es humaneres Klima schaffen würden, das zum Beispiel Privatleben zulassen würde oder verlässliche Arbeitszeiten, um mal ein paar Beispiele zu nennen, die Führungspositionen für Menschen mit Anspruch an ein eigenes Leben schwierig machen.
Dieses kleinschrittige Flexiquoten-Gedöns macht mich regelrecht zornig. Warum ist es hierzulande so schwer, Nägel mit Köpfen zu machen und eine gesetzliche Quote einzuführen mit ordentlichen Sanktionen bei Nicht-Einhalten? Das Perfide: ich bin mir nicht einmal sicher, ob ein Regierungswechsel den erforderlichen Kick auslösen würde. Gabriel, Steinbrück und Steinmeier als das Dreigestirn der Quote? Öhm. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
sakra - 18. Okt, 09:40
Entweder ICH lebe in einer Parallelwelt oder die anderen.
"Zu helle, zu schmale und lichte Augenbraun kann man auch mit einem Brauenstift nachdunkeln, verbreitern oder auffüllen. Malen Sie mit dem Brauenstift keine Balken sondern mit einer feinen Spitze von oben her haarfeine Striche zwischen die Härchen.
Augenbrauen kann man auch mit schwarzer oder brauner Mascara mehr Farbe oder Struktur verleihen. Da dabei nur die Härchen und nicht die Haut gefärbt wird, wirkt das Ergebnis besonders natürlich. Die Mascara-Bürste darf zu diesem Zweck nur wenig Farbe tragen. Überschüssige Farbe mit Kosmetiktüchern abstreifen. Mit der Mascara-Bürste nur leicht über die Augenbrauen streichen, so dass nur die Härchen berührt werden.
Pflege der Augenbrauen: Bürsten Sie die Brauen mit einer trockenen Zahnbürste, streichen Sie sie dann in diagonal nach oben weisender Richtung.
Mit „Gel Fixateur" können Sie die Form der Augenbraun für Stunden fixieren. Mit etwas Haarspray, das mit einer Zahnbürste leicht durch die Augenbrauen gezogen wird, ist derselbe Effekt zu erreichen.
Mit einem Augenbrauenstift, der nicht zu weich sein sollte, werden die Augenbrauen nachgezogen. Die Farbe des Stiftes sollte der Farbe des Haaransatzes entsprechen oder etwas dunkler sein.
Sie können die Augenbrauen auch mit einem kleinen festen Pinsel und Lidschattenpuder nacharbeiten
Verändern Sie den Schwung der Augenbrauen nicht grundlegend. Meist passt der natürliche Schwung der Augenbrauen am besten zum Gesicht.
Augenbraun kann man auch von einer Kosmetikerin oder einem Frisör färben lassen. Das spart Zeit bei dem täglichen Make-up. Die Farbe hält ca. vier bis sechs Wochen."
So ein Artikel wirft Fragen auf. Was genau macht den Unterschied aus zwischen
- Frauen, die einem solchen Prozedere öfter mal nachkommen und ca. eine halbe Stunde alle zwei Wochen auf ihre Augenbrauen verwenden und
- anderen Frauen? Ich nahm immer an, alle Frauen nehmen in Zeiten der Langeweile einen Augenbrauenstift in die Hand, ziehen nach, fertig. Aber offensichtlich ist dem nicht so.
Wie wurden die jeweiligen Gruppen sozialisiert, welche davon ist die Minderheit? Wirken sich perfekte Augenbrauen auf die Arbeitsmarktchancen aus? Oder zumindest auf die Heiratschancen?
Kann man hier Rückschlüsse auf die Gesamtschminkzeit beim täglichen Make-Up ziehen? Und die wöchentliche Nachrichtenlesezeit dazu in Relation setzen? Gibt es solche Frauen von Natur aus, folgen diese nur ihrem biosozialen Codes, haben schon in der Steinzeit die Neandertal-Weibchen mit Ästen ihre Augenbrauen gezüchtigt? Oder wird das durch solche Artikel nur suggeriert, so dass sich Frauen genötigt fühlen, sich verstärkt ihren Augenbrauen zu widmen? Gibt es eine Augenbrauen-Lobby? Gibt es solche Artikel auch über Männer und deren Barthaare? (Könnte sogar sein.)
Kennt irgendjemand eine Frau, die das oben beschriebene durchzieht oder handelt es sich hier um einen urbanen Mythos?
sakra - 13. Okt, 11:00
Tagtäglich merke ich, dass ich nun in Zusammenhängen arbeite, in denen mir Respekt gezollt wird, ich meine Rechte selbsverständlich einfordern kann, das Gesetz funktioniert und Sicherheit großgeschrieben wird:
Ich kann absolut bedenkenlos, quasi mit geschlossenen Augen, ohne auch nur den Hauch eines links- und-rechts-schauen den Zebrastreifen vor meinem Arbeitsgebäude überqueren - und die Autos halten an.
Man sollte sich nicht zu schade sein, auch die kleinen Triumphe zu feiern.
sakra - 11. Okt, 11:39
Wenn man als Journalist (der, nebenbei bemerkt, relativ selbstverliebt immer wieder auf seine Engagements in der Monde Diplomatique, die Artikel, die in Serbien über ihn geschrieben werden sowie sein wahnsinniges Beilagen-Repertoire hinweist) versucht, ReferentInnen einer Partei spannendes Schreiben nahezubringen, dann steht man vor Herausforderungen.
Heiß diskutierte Formulierungen:
1. Nachhaltigkeit
2. Umstände
3. unberechenbarer Kurs
4. auch
5. "die Bundesregierung versagt seit zwei Jahren" (hier wurde nicht der Inhalt diskutiert, nur die Frage, ob man das mit den zwei Jahren noch extra erwähnen muss oder ob das nicht implizit eh klar ist)
6. überhaupt mal nominatives Formulieren
Ich will nicht verhehlen, dass die Texte nach der redaktionellen Bearbeitung durch super-international Journalist besser waren, vor allem kürzer. Wenn es danach geht, ist die Beteiligung an der nächsten Regierung sicher.
Aber es war ein harter Tag für alle - man verabschiedet sich nicht leise von der "Nachhaltigkeit" als ReferentIn. Nein, das tut man nicht.
sakra - 8. Okt, 15:56