Mittwoch, 19. Oktober 2011

Die post-youtube-Ära

In Berlin ist es noch viel ausgeprägter als in Hamburg: musizierende Menschen, die zum Geld verdienen die S-Bahn besteigen und loslegen. Das Angebot ist vielfältiger als im Norden: statt einer Südamerikanerin, die den lieben langen Tag die S31 befährt und "Marina" singt, bis man es nicht mehr ertragen will, ist hier so ziemlich alles vertreten: wahnsinnig schnell dudelnde Flötenspieler (das sind die schlimmsten), Akkordeone (das sind die lautesten), Gesingereien, Violinen, Kammer - äh, Bahn-Quartetts. Gestern gab es ein Novum: ein junger offensichtlich deutscher Mann stellte seinen neuen Song "Frei" mit Begleitung seiner Gitarre vor. Dazu fielen mir zwei Dinge auf.

Mein Gehirn verlangte, bevor ich es zur Ordnung rufen konnte, impulsiv danach, dem jungen deutschen Mann Geld zu geben. Schnell züchtigte ich es; ich gebe prinzipiell niemanden Geld, der mich in der Bahn akustisch belästigt und mich zwingt, zuzuhören. Aber erstaunlich, wie schnell ich da bereit bin, Zugeständnisse zu machen, wenn der Musiker optisch meinem Sozialisationshintergrund entspricht!

Weiterhin hatte der junge Mann seiner Meinung nach Star-Qualitäten und war ein echter Rocker. Ich hatte fast erwartet, dass er nach seiner Performance anfängt, seine CD zu verkaufen. Er war auch offensichtlich nicht gut auf die Bühne im ÖPNV vorbereitet, weil er sonst wahrscheinlich nur am Lagerfeuer und in Clubs spielt: sein Stück dauerte genau 1,5 Haltestellen lang, was natürlich blöd ist, weil die Hälfte des unfreiwilligen Publikums während des Liedes ausstieg.

Ich frage mich trotzdem: erreicht er damit vielleicht sogar mehr Leute als über Youtube? Kann er das für seine Biographie gut verwenden? "Mein erstes Geld mit der Musik verdiente ich in der Berliner S-Bahn..." Mal sehen. Ich verfolge das weiter.

Aber Geld gebe ich trotzdem nicht.

Über mich und diesen Blog

Ich bin weiblich, 31 Jahre alt, Soziologin und arbeite seit kurzem im Bundestag als Referentin für die Fraktion einer großen Oppositionspartei. Über die Erlebnisse im Politikbetrieb möchte ich hier gerne berichten, da ich da absolut neu bin und es sehr interessant finde, die Strukturen und die Inszenierung von Macht live zu erleben. (Yeah, Soziologendeutsch!) Namen aus "meiner" Fraktion werde ich nicht nennen, auch wenn vielleicht ab und zu nachvollziehbar ist, um wen es geht. Ich arbeite im Gleichstellungsbereich, also wird es hier überdurchschnittlich oft Beiträge geben, die etwas mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben. Da ich außerdem neu in Berlin bin, ist das Berlinerische an sich berichtenswert für mich. Privates versuche ich mal außen vor zu lassen, was vielleicht wegen meines Hanges zum Tratsch nicht immer klappen wird... Meine Vita in kurz: nach dem Aufwachsen auf dem ländlichsten aller Landstriche nutzte ich die Gelegenheit, die das Abitur bot, und verzog mich nach einem einjährigen Werbepraktikum zum Studieren der Soziologie nach Bremen. Das war super, vor allem die Zeit im Studentenwohnheim und meine Arbeit in der Kundenbetreuung eines Mobilfunkanbieters gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Ein Jahr arbeitete ich danach als Assistentin der Geschäftsführung in einem feministischen freien Träger, bis mir die Feministinnen zu arg wurden und ich der Liebe und der Familie und des Berufes wegen nach Hamburg ging. Meine erste Referentinnenstelle fand in einer Hamburger Behörde statt, befristet. So tat es kein Wunder, dass die Wirtschaftskrise und die Hamburger Neuwahlen-Krise mich in meine persönliche Arbeitslosigkeits-Krise stürzten. Es folgten einige Monate ALG1 und dann das Angebot aus Berlin - halbe Stelle, supi bezahlt. Ich zog um. Das hat viel Pendeln wegen Wochenendbeziehung zur Folge, aber auch die Tatsache, dass ich das erste Mal in meinem Leben ganz alleine wohne. Die WG-Zeit ist vorbei. Es ist also alles spannend, und daher dieser Blog. Viel Spaß.

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