Montag, 28. November 2011

Du, Franz...

Irritierend bis gewohnungsbedürftig: in der Fraktion duzt man sich. Aber, aber! Schreit mein respektvolles Gemüt. Diese distinguierten, fremden Damen und Herren kann ich doch nicht so vertraulich angehen! Zugegeben sind die meisten Menschen in meinem Alter, aber trotzdem: ich muss mich daran gewöhnen und freue mich auf den Tag, an dem ich sagen kann: „Hallo Gerd, wie geht es?“

Schwierig wird es, wenn man nicht genau weiß, ob das nette Gegenüber bei der Fraktion arbeitet oder aus dem Bundestag kommt (jaja, das ist streng getrennt, ich blicke da noch nicht ganz durch. Der Bundestag hat eigene Strukturen, eine Verwaltung, Sicherheitspersonal, Etagendienst, Hausmeister - die Fraktionen sind eigenständig organsiert. Aber wozu gehört etwa die Poststelle, verflixt noch mal? Diffizil wird es bei der Büroausstattung: Mülleimer bekommt man vom Bundestag, Tacker von der Fraktion...).

Man will ja nicht einfach so "Du" zur Reinigungskraft sagen, das kommt leicht despektierlich. Andererseits wird, falls die Person GenossIn ist, ein "Sie" eine künstliche Distanz schaffen, die unangenehm auffallen könnte und mir den Stempel des mangelnden Willen zur Fraternisierung mit den niedrigeren Tarifstufen aufdrücken könnte.

Der Alltag im Bundestag! Voller Fallstricke und Tücken!
Ich vermeide inzwischen die Ansprache komplett und sieze nicht, duze nicht, sondern manne oder schwurbele. "Man könnte ja eben den Drucker installieren" oder "Ich bräuchte mal eben einen neuen Tacker." Funktioniert gut, erfordert etwas Denkarbeit und macht mir persönlich einen großen Teil der Formulierungen in der Politik erklärlich.

Ich schwöre, die Parteichefs haben dasselbe Problem.

Internet

Internet zu Hause nach 10 Wochen Abstinenz aktiv: seit zwei Stunden.

In dieser Zeit getätigt: 1 Blog-Eintrag generiert, 2 ebay-Käufe getätigt, 3 Wegbeschreibungen herausgesucht, 1 facebook-Chat absolviert, 1/1000 Ideen zur Doktorarbeit recherchiert.

Ich habe einiges nachzuholen.

Montag, 21. November 2011

Ministerinnen und sonstiges Personal

In den hiesigen Bürogebäuden begegnet man durchaus mal BundesministerInnen oder NachrichtensprecherInnen, die hier so ganz alleine oder mit Entourage rumdümpeln. Frau von der Leyen ist sehr klein und sehr schnell, sie saust so durch die Gegend, dass weder die Augen noch das Gefolge folgen können. Christina Schröder ist auch nicht besonders groß, aber langsamer und hat eine ganz liebe Ausstrahlung.

Generell kann man die Politikerinnen hier in zwei Kategorien einteilen. Die extrem herben, meist kurzhaarigen und etwas kompakteren Frauen mit lauter Stimme und unangenehmen Umgangsformen sind ein ganz bestimmter, weit verbreiteter Typus in der Fraktion. Anderes Extrem: die feinen Damen, hübsch zurechtgemacht, ladylike. In Funktionen sind beide gut vertreten, man kann also nicht ableiten, welcher Typ in der Männerwelt der Fraktion besser vorankommt. Den ersten Typ finde ich mehr oder weniger bewundernswert - sie scheren sich nicht um Rollenklischees und trauen sich, nicht weiblich zu sein. Dafür übernehmen sie natürlich das andro-normative Bild.

Zum Mitarbeiten ist mir persönlich der zweite Typ lieber.
Auch die Ministerinnen entsprechen diesem Typ. Der Trend geht sicher dorthin - schon die Bundeskanzlerin musste ihren Stil vor Amtskandidatur wechseln. Man darf nicht, man muss Frau sein, um als Frau repräsentieren zu dürfen. Eine etwas zwiespältige Entwicklung.

Sonntag, 13. November 2011

Büro-Ungetüme

Ich weiß nicht, wie viele Personen insgesamt im Deutschen Bundestag arbeiten. Es muss in die Zehntausende gehen, wenn man Verwaltung, MdBs und deren Büros sowie die Angestellten der Fraktion mit einbezieht. Ich weiß aber, dass der Komplex der Gebäude enorm ist. Alleine vier Bürogebäude bilden das "Band des Bundes", meines ist eines davon und umfasst alleine 8 Häuser. Wenn ich zum anderen Ende des Gebäudes will, plane ich zehn Minuten Fussweg ein.

Unterirdisch ist das Band des Bundes so konzipiert, dass alle Gebäude miteinander verbunden sind. Ich muss also nicht an die frische Luft, um in den Bundestag zu gelangen, sondern laufe in den belebten Katakomben wiederum etwa zehn Minuten und kann dann per Fahrstuhl direkt vor den Fraktionssaal fahren.

Die Gebäude selber sind sehr beeindruckend, viel Glas und Holz und Beton - verbunden mit wirklich kolossalen Ausblicken, wenn man über die Gebäudebrücke die Spree überquert - also so:

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Der Besuch der Reichtagskuppel selber ist immer einen Abstecher wert, wegen eben dem Ausblick, aber auch dem intelligenten Ausio-Guide, der wahrscheinlich per Sensoren feststellt, an welcher Stelle der Kuppel man sich befindet, dann freundlich empfiehle: "Bleiben Sie jetzt bitte stehen!" und bei Gehorsam die Aussicht erläutert. Verweigert man sich, beginnt er optimistisch mit der Beschreibung und blendet dann leise aus, wenn man sich vom Sensor wieder entfernt. Ein sehr schöner Effekt!

Nun, lieber Besuch, das bekommt ihr dann persönlich vorgeführt. Bis bald!

Freitag, 11. November 2011

Die Deutsche Bahn

Ich weiß gar nicht, wie lange das schon her ist, aber bis vor ein paar Wochen hatte die DB ein Mitfahrerprogramm im Angebot. Auch die Konditionen weiß ich nicht mehr, weil ich mich immer so wunderbar schlecht gelaunt auf die Anzeigen-Motive gestürzt habe.

Das Konzept ging sinngemaäß so: wenn man zu zweit fährt, wird es günstiger. Um das zu unterstreichen, wurden Plakate veröffentlicht, die einige, in der Vorstellung der Bahn, wohl repräsentative 2er-Konstellationen von Menschen zeigen, die miteinander Zug fahren. Das ergab eine eindrucksvolle Vorstellung des Frauenbildes, das die deutsche Bahn hat.

Sehr attraktive junge Frauen mit langen Haaren fahren mit graumelierten Männern Bahn, die von ihnen geküsst werden.

Mittelattraktive Frauen, etwas älter, fahren mit ihren Freundinnen Bahn.

Alte Frauen fahren mit jungen Frauen Bahn, wahrscheinlich ihre Enkelinnen. Oder mit alten Männern.

Finde ich doll. Es scheint die Bahn wirklich vor Schwierigkeiten zu stellen, wenn man Frauen nicht mit Kinder als Deko ablichten kann, denn Kinder fahren bis 15 Jahren kostenlos mit und passen daher nicht in diese Aktion. Aber wenn attraktive Frauen keine Kinder haben, dürfen sie auch nicht mit potenten Männern abgelichtet werden - das wäre wahrscheinlich zu modern, so eine wilde Ehe. Doch die Konstellation Geliebte/älterer Mann, das geht, das ist klassisch, da kommt niemand auf dumme Gedanken und es ist klar, wer da der Überlegene ist.

Oder gar geschlechtgemischte Freundespaare - zu wild, zu missverständlich, oder - ja, warum nicht! - gleichgeschlechtliche Pärchen. Neinnein, Frauen behalten bitte ihre althergebrachten Rollen bei - als Ehepartnerinnen, Geliebte, Freundin. Nicht mal eine Geschäftsreisende hat man sich abringen können, die ihren Assistenten dabei hat.

Schade eigentlich.

Freitag, 18. November 2011

Berlin vs. Hamburg

Wenn Berliner unfreundlich sind, schnauzen sie einen an.

Wenn Hanseaten unfreundlich sind, ignorieren sie einen.

Ich habe da noch nicht herausgefunden, was für mich als Gegenüber unangenehmer ist. Beides ist immerhin ziemlich wirkungsvoll, ich fühle mich bedröppelt. Das Berlinerische hat den größeren Lernfaktor: ich schaffe es inzwischen übergangslos zurück zu maulen. Das Problem ist, dass ich damit in Hamburg auch nicht weiterkomme; die Leute sind immer so unbetroffen, wenn ich sie zurück ignoriere, vor allem, wenn ich etwas von ihnen will und sie mich nicht wahrnehmen.

Vielleicht sollte ich einfach universell mit Popeln werfen, das wird sowohl die Berliner als auch die Hamburger in ihre Schranken weisen.

Montag, 7. November 2011

Mein Magen

Erste Veranstaltung im Bundestag, die meine Kollegin und ich ganz alleine organisiert haben. Das war ein Abenteuer: als Neulinge haben wir beide keinen Schimmer von den Strukturen, unsere Chefin hatte ebenfalls keine Erfahrungswerte, und so war das Ganze ein bisschen sehr ins Blaue hineinorganisiert. Die Anmeldezahl entlockte der Pressestelle den Kommentar: "Das ist ja eine Katastrophe!", die Öffentlichkeitsrabeit liess sich zu einem "Nichts ist gut!" hinreißen. Aber so ist es jetzt... wir lernen daraus, die Veranstaltungen in Zukunft nicht im Bundestag stattfinden zu lassen, wenn sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Ich bin hochgradig angespannt, obwohl es jetzt nichts mehr zu tun gibt. Eigentlich heißt es jetzt nur noch: zurücklehnen, der Podiumsdiskussion zuschauen und entspannen. Leider schaffe ich das nicht so ganz, ich neige zum Pessimismus und habe eine rege Fantasie. In solchen Situationen eine fatale Kombination. Zum Glück ist meine Kollegin extrem relaxt und plant gerade ein ausgiebiges Mittagessen - vom Schreibtisch gegenüber höre ich gemurmelte Wortfetzen, die "halbes Hähnchen" und "Schweinebraten" beinhalten. Neenee, nicht mit mir... die Nervosität schlägt mir auf den Magen, ich werde heute nicht viel herunterbekommen. eine Wassersuppe, das wäre jetzt das richtige, mit einem Stück Zwieback.

Ich freue mich auf in zehn Stunden, wenn ich in der Bahn sitze, auf dem Weg nach Hause bin und es nur noch gilt, sich auf den Urlaub zu freuen.

Mittwoch, 2. November 2011

Neu im Web

Eine Freundin von mir ist ebenfalls unter die Bloggerinnen gegangen. Sie hat einen ganz neuen Ansatz: ein Strickblog (jaja, ich weiß! Aber Moment, bitte weiterlesen!), in Kombination mit einem Tischlerinnenblog. Sie hat nämlich einen denkwürdigen Lebenslauf: vom Abitur mit mir (da gehts schon los) über eine Tischlerlehre in ein Bibliotheksstudium, zwischendurch Treffen auf ihren Freund, für den sie vom neutralen Politikverständnis zum Feminismus konvertierte. Der erste Feminist, den ich live getroffen habe!

Wenn wir also Glück haben, erweitert sie ihr Blog-Repertoire noch um Bücher und feministische Schwänke. Toitoitoi. Aber auch so: sehr lesenswert.

Hier der Link: http://dekorinnadeln.de

Viel Spaß!

Dienstag, 1. November 2011

Nahverkehr

Der Berliner ÖVNP ist eine Nummer härter als die norddeutsche Version, und das liegt nicht an der Alkohol-Erlaubnis. Einige Erlebnisse aus den letzten Wochen:

- Eine Frau wird im Berufsverkehr so belästigt, dass sie den Belästiger heftig anfährt, damit auszuhören. Was sie meint, wird nicht klar, da der Grund zur Beanstandung offensichtlich eingestellt wird (ich habe nachgefragt). Es bleibt ein komisches Gefühl.
- Obdachlose nutzen die U-Bahn zum Aufwärmen, und es gibt hier viele Obdachlose. Das ist grundsätzlich für mich okay, aber die Gerüche sind teilweise heftig.
- Partyvolk im Berufsverkehr sondert auch extreme Gerüche ab und amüsiert zusätzlich durch Absonderung merkwürdiger verbaler Ergüsse. Dicke haarige Briten in engsten Jeans brüsten sich ihrer Eroberungen, dünne deutsche Jungs reflektieren ihre Zeit als Call-Boys, es wird munter mit rosa Getränken geschwenkt - die Nacht ist offensichtlich noch nicht zu Ende, bloß weil andere Leute arbeiten gehen.
- Musik liegt in der Lust. Der Hammer war vorgstern der Trompeter (!) in der S-Bahn. Ungelogen, ungedämpft, einfach authentisch.

Vielleicht doch wieder aufs Land ziehen und Auto fahren?

Über mich und diesen Blog

Ich bin weiblich, 31 Jahre alt, Soziologin und arbeite seit kurzem im Bundestag als Referentin für die Fraktion einer großen Oppositionspartei. Über die Erlebnisse im Politikbetrieb möchte ich hier gerne berichten, da ich da absolut neu bin und es sehr interessant finde, die Strukturen und die Inszenierung von Macht live zu erleben. (Yeah, Soziologendeutsch!) Namen aus "meiner" Fraktion werde ich nicht nennen, auch wenn vielleicht ab und zu nachvollziehbar ist, um wen es geht. Ich arbeite im Gleichstellungsbereich, also wird es hier überdurchschnittlich oft Beiträge geben, die etwas mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben. Da ich außerdem neu in Berlin bin, ist das Berlinerische an sich berichtenswert für mich. Privates versuche ich mal außen vor zu lassen, was vielleicht wegen meines Hanges zum Tratsch nicht immer klappen wird... Meine Vita in kurz: nach dem Aufwachsen auf dem ländlichsten aller Landstriche nutzte ich die Gelegenheit, die das Abitur bot, und verzog mich nach einem einjährigen Werbepraktikum zum Studieren der Soziologie nach Bremen. Das war super, vor allem die Zeit im Studentenwohnheim und meine Arbeit in der Kundenbetreuung eines Mobilfunkanbieters gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Ein Jahr arbeitete ich danach als Assistentin der Geschäftsführung in einem feministischen freien Träger, bis mir die Feministinnen zu arg wurden und ich der Liebe und der Familie und des Berufes wegen nach Hamburg ging. Meine erste Referentinnenstelle fand in einer Hamburger Behörde statt, befristet. So tat es kein Wunder, dass die Wirtschaftskrise und die Hamburger Neuwahlen-Krise mich in meine persönliche Arbeitslosigkeits-Krise stürzten. Es folgten einige Monate ALG1 und dann das Angebot aus Berlin - halbe Stelle, supi bezahlt. Ich zog um. Das hat viel Pendeln wegen Wochenendbeziehung zur Folge, aber auch die Tatsache, dass ich das erste Mal in meinem Leben ganz alleine wohne. Die WG-Zeit ist vorbei. Es ist also alles spannend, und daher dieser Blog. Viel Spaß.

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