Dienstag, 17. Januar 2012

Winter in Berlin

Man hat mich ja gewarnt. Alle Berliner erzählen die grauenhaftesten Dinge über Berlin im Winter, vor allem über Berliner im Winter. Ich bin live dabei.

- Die Bürokollegin klagt, wie grausam sie von den Referenten unserer Öffentlichkeitsarbeit, den Hausmeistern, ihren Kindern, der Hausverwaltung, den Busfahrern, der Planungsgruppe unseres Projektes sowie den Pförtnern behandelt wird. Jawohl.

- Alle sind krank. Ich fühle mich wie ein Rotzvulkan, der aus allen Poren Lava, also eben Rotz, quellen lässt, und greife zu verzweifelten Mittel. In Küchenhandtücher schnäuzen, damit die Nase nicht wund wird (hilft eher mäßig), aufgeschnittene Zwiebel neben das Bett, damit die NAse nicht zuschwillt (hilft super).

- Der Fraktionsvorstand wird von harmlosen, wintermüden Passanten als "der mit dem Scheitel" bezeichnet. Und da sage einer, der hat kein Profil! Die K-Frage ist geklärt!

- Die Berliner haben keine Lust, über Wulff zu diskutieren. Die Berliner! Wollen nicht! Über Politik reden! Aber ich verstehs. Seit er die Medien bedroht hat, wollen die Medien ihn eben nicht mehr, das gemeine Volk dagegen findet es ganz sypathisch, dass er der BILD gedroht hat. Würden ja einige gerne mal machen, der Bild drohen.

- Es wird nicht mehr hell.

Ich gehe das offensiv an und lasse mir Besuch aus Norddeutschland kommen, wo das graue Winterwetter gar niemanden aus der gewohnten Gemütsruhe bringt und die mäßige Laune das ganze Jahr über anhält, ohne große Ausschläge nach oben oder unten. So lässt es sich vortrefflich die Zeit vertreiben, und alle wollen sie wieder kommen. Respekt! Das Erlebnis mit der Zwiebel neben dem Bett kann nur ein Norddeutscher achselzuckend hinnehmen. Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen, das weiß man in den Hansestädten schon lange.

Donnerstag, 5. Januar 2012

Kasino

Die Kantine heißt hier Kasino, was anfangs zu Irritationen bei mir führte: "Echt, ihr geht jetzt alle ins Kasino? Nee, ich komm nicht mit." (Ist ja ein Ding, so sind sie, die im Bundestag! Steuergelder auf den Kopf hauen, und das zur Mittagspause!)

Das Züricher Geschnetzelte heute hat eine dermaßen große Begeisterung in mir ausgelöst, dass ich ein wenig an meinen Geschmacksnerven zweifele. Klar war das lecker, es schmeckt meistens gut im Kasino, aber Gedanken wie "Das ist eines der besten Dinge, die ich je im meinem Leben gegessen habe", kommen mir im Kasino-Kontaxt übertrieben vor. Ich war auch nicht bekifft oder habe andere Appetitmacher benutzt. Im Gegenteil: die Gespräche an den Nebentischen waren eher ab- als anregend. Ich wette, in kaum einer anderen Verköstigungseinrichtung werden so viele Phrasen gedroschen - die Leute reden beim Essen (und das bei DIESEM Geschnetzelten! Da muss man doch auch mal still genießen können!) so, wie ich an meinen stockisten Tagen Vermerke schreibe. "Straftatbestände", "da kann man noch was bewirken", "die Folge dieser Intervention" etc pp.

Ich persönlich lockere Kantinenessen gerne mit launigen Anmerkungen aus meinem Privatleben oder der Gala auf, die zu dreckigen Gelächter animieren. Manchmal habe ich die Befürchtung, damit unprofessionell rüberzukommen, aber immerhin authentisch. Nach den Erlebnissen mit unserem Bundespräsidenten in den letzten Tagen halte ich das für die bessere Kombination als umgekehrt.

Ach, dieses Geschnetzelte!

Dienstag, 3. Januar 2012

Vorsätze

Die Feiertage und den Rest habe ich fast überraschend gut verbracht - schöne Weihnachten, netter Onkel-Geburtstag, schönes Silvester. In Berlin war ich trotz des immer noch vorherrschenden Neuling-Gefühls gut beschäftigt und viel unterwegs, was mir sehr gut getan hat. Das führte zu einem meiner Neujahrs-Vorsätze: mehr mit Leuten unternehmen, auch mit Fremden!

Ich habe schon länger überlegt, auf einem Portal für Neulinge in der Stadt eine Anzeige aufzugeben. Was mich etwas abschreckte, waren die Reaktionen aller, denen ich davon erzäh lte: spitze Schreie, sorgenvolle Blicke, verhaltene Wut und unisono: "Tu es nicht! Lüstlinge und Spacken lauern allerorten!" Diese Ratschläge schoss ich vor ein paar Tagen in den Wind und gab eine Anzeige auf - Leute zum Kickern gesucht. So lüstern können Lüstlinge gar nicht sein, dass sie in einer verrauchten überfüllten Spelunke lustvolle Angriffe starten. Außerdem bin ich ziemlich groß und stark! Spacken, nun ja... da kann man nix machen. Aber viele Spacken sind eigentlich sehr nett, da bin ich Menschenfreundin.

Resultat: ich bin morgen mit fünf Kerlen und einer Kerlin zum Kickern verabredet, in einer überfüllten Spelunke bei mir um die Ecke, die bei mir immer eine Mischung aus Abscheu und Neid hervorrief. Denn wenn ich morgens zur Arbeit gehe, ist da noch allerhand los.

Mein anderer Vorsatz: mehr Röcke trage. Das dürfte klappen.

Vorsatz Nummer 3: eine Promotion anschieben. Meine Lieblingsprofessorin, ein Star in der Gleichstellungsstellungsszene, hat Bereitschaft zur Betreuung signalisiert.

2012 könnte ganz gut werden!

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Frohes Fest!

Ich weiß schon, warum ich dieses Jahr so gar nicht in Weihnachtsstimmung komme. Bis letzten Freitag brannte in der Fraktion die Hütte, namentlich wegen der Berliner Erklärung zur Quote von Frauen in Führungspositionen.

Wie von einigen Seiten befürchtet, profitieren alleine die UnterzeichnerInnen der Regierungskoalition von der Berliner Erklärung. Für diese ist der Inhalt geradezu revolutionär: mindestens 30% Frauen! Quote! Und das von der FDP, hört, hört...! Die Opposition dagegen musste hier in ihren Forderungen einen Schritt zurück gehen. Das wurde in den Medien auch genau so aufgefasst. Schreie der Empörung hallen durch die Flure des Jakob-Kaiser-Hauses.

Nebenbei noch zwei eigene Veranstaltungen eintüten, von Weihnachten mal ganz zu schweigen... ächz stöhn schnauf. Ich freue mich auf meine zwei Wochen Urlaub, und die habe ich mir auch redlich verdient.
In zwei Stunden bin ich hier raus.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Mein erster Auftritt...

...im Bundestag.

Das würde ich am liebsten so stehen lassen, denn ab jetzt wird es nur unglamouröser.

Der Weihnachtsauftritt des Chor des Deutschen Bundestages (neinnein, klingt imposanter, als es ist: ca 25 alte Frauen und ich plus einem sehr beeindruckenden serbischen Chorleiter) fand statt. Vor der Kantine. Jaja, ich will dazu gar nichts hören. Schtil ist was anderes.

Aber wir haben ganz toll gesungen, und alle 50 Zuschauer haben geklatscht.

Ein Anfang.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Komisch...

Auf wen soll man eigentlich sauer sein, wenn zu Hause das Toilettenrohr tropft und der Hausmeister sich zu exakt der Zeit ankündigt, in der man sich beim Bouldern elegant und kraftvoll die Wände hochziehen wollte?

Das Toilettenrohr? Erster Kandidat, aber nicht befriedigend. Auf den Hausmeister? Ja, der ist schon mal ganz schön doof, aber irgendwie hilft er mir ja auch und ist auch noch umsonst, also so richtig Futter für einen gerechten Zorn ergibt das auch nicht. Auf mich? Nee, wieso eigentlich...

Also zielloses allgemeines Gegrummel. Ein echter Nachteil zur WG - da konnte man wenigstens den Mitbewohnern die Schuld geben. Für a) das tropfende Toilettenrohr b) die mangelnde Organisation, weil der Hausmeister zu einer Zeit kommt, in der ich zum Sport muss und c) für den Fall, dass sonst zu diesem Zeitpunkt auch keiner da ist und ich als einzige zu Hause bleiben muss. Und mein Gemaule hört sich dann sogar noch jemand an, im besten Falle gar wohlwollend!

Alleine wohnen ist schwer.

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Gemauschel

Politik live... eine fraktionsübergreifende Initiative aus Frauen hat sich getroffen, um auf sachlicher und nicht parteiorientierter Ebene zu diskutieren. Ziel des Ganzen ist eine gemeinsame Erklärung, ebenso fraktionsübergreifend.Man merkt das Unbehagen der Vertreterinnen der Regierung - sie dürfen sich nicht so für für das Thema aussprechen, wie sie das persönich vielleicht wünschen, ihre Ministerin hat das schon getan, zur breiten Unzufriedenheit aller in der Frauenpolitik Bewanderten. Aber der Wille bei den meisten ist da, so viel ist klar.

Am nächsten Tag bekommt das Unbehagen einen Namen: die Grünen bitten zur namentlichen Abstimmung über einen Gesetzesentwurf zu eben dem Thema. Sprich: Fraktionszwang. Die Abgeordneten der Regierung müssen offen abstimmen, dass sie gegen das Gesetz sind, auch wenn dies nicht ihrer Überzeugung entspricht - unmöglich, wenn sie später eine Erklärung für ebendieses Thema unterschreiben wollen. Beides geht nicht. Ergebnis: die Abstimmung geht verloren, die überfraktionelle Erklärung wahrscheinlich auch. Denn dass es so inkonsequent nicht geht und vor allem nicht vermittelbar ist, wissen auch die Politikerinnen.

Was lernen wir daraus? Hier geht es um Machtstrukturen und Schwächen im System, sogar ganz ohne die Geschlechterbrille. Themen sind nicht so wichtig wie die Zuschreibung an die Partie.

Ist das Parteiensystem überhaupt noch zeitgerecht? Das frage ich mich manchmal ernsthaft. Kenne ich doch kaum jemanden, der in einer PArtei ist - nicht mal ich, und ich arbeite für eine.

Mittwoch, 30. November 2011

Wieder da

Zwei Wochen Urlaub, nun wieder in der Hauptstadt. Ich scheine nichts verpasst zu haben - die Schlagzeilen der örtlichen Presse lassen zwar an Dramatik nicht zu wünschen übrig, an politischer Relevanz sind sie noch ausbaufähig.

"Natascha Ochsenknecht vertreibt Einbrecher."
"Johannes Heesters verspricht: Ich werde 108 Jahre alt!"
"Die Wahrheit über den Aussteig der Super-Nanny!"

Joah. Nun denn, ich habe auch so genug zu tun. Mein Statement des Tages:

"Überall liegt Scheiße, man muss eigentlich schweben - jeder hat nen Hund, aber keinen zu reden."

Über mich und diesen Blog

Ich bin weiblich, 31 Jahre alt, Soziologin und arbeite seit kurzem im Bundestag als Referentin für die Fraktion einer großen Oppositionspartei. Über die Erlebnisse im Politikbetrieb möchte ich hier gerne berichten, da ich da absolut neu bin und es sehr interessant finde, die Strukturen und die Inszenierung von Macht live zu erleben. (Yeah, Soziologendeutsch!) Namen aus "meiner" Fraktion werde ich nicht nennen, auch wenn vielleicht ab und zu nachvollziehbar ist, um wen es geht. Ich arbeite im Gleichstellungsbereich, also wird es hier überdurchschnittlich oft Beiträge geben, die etwas mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben. Da ich außerdem neu in Berlin bin, ist das Berlinerische an sich berichtenswert für mich. Privates versuche ich mal außen vor zu lassen, was vielleicht wegen meines Hanges zum Tratsch nicht immer klappen wird... Meine Vita in kurz: nach dem Aufwachsen auf dem ländlichsten aller Landstriche nutzte ich die Gelegenheit, die das Abitur bot, und verzog mich nach einem einjährigen Werbepraktikum zum Studieren der Soziologie nach Bremen. Das war super, vor allem die Zeit im Studentenwohnheim und meine Arbeit in der Kundenbetreuung eines Mobilfunkanbieters gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Ein Jahr arbeitete ich danach als Assistentin der Geschäftsführung in einem feministischen freien Träger, bis mir die Feministinnen zu arg wurden und ich der Liebe und der Familie und des Berufes wegen nach Hamburg ging. Meine erste Referentinnenstelle fand in einer Hamburger Behörde statt, befristet. So tat es kein Wunder, dass die Wirtschaftskrise und die Hamburger Neuwahlen-Krise mich in meine persönliche Arbeitslosigkeits-Krise stürzten. Es folgten einige Monate ALG1 und dann das Angebot aus Berlin - halbe Stelle, supi bezahlt. Ich zog um. Das hat viel Pendeln wegen Wochenendbeziehung zur Folge, aber auch die Tatsache, dass ich das erste Mal in meinem Leben ganz alleine wohne. Die WG-Zeit ist vorbei. Es ist also alles spannend, und daher dieser Blog. Viel Spaß.

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