Die post-youtube-Ära
In Berlin ist es noch viel ausgeprägter als in Hamburg: musizierende Menschen, die zum Geld verdienen die S-Bahn besteigen und loslegen. Das Angebot ist vielfältiger als im Norden: statt einer Südamerikanerin, die den lieben langen Tag die S31 befährt und "Marina" singt, bis man es nicht mehr ertragen will, ist hier so ziemlich alles vertreten: wahnsinnig schnell dudelnde Flötenspieler (das sind die schlimmsten), Akkordeone (das sind die lautesten), Gesingereien, Violinen, Kammer - äh, Bahn-Quartetts. Gestern gab es ein Novum: ein junger offensichtlich deutscher Mann stellte seinen neuen Song "Frei" mit Begleitung seiner Gitarre vor. Dazu fielen mir zwei Dinge auf.
Mein Gehirn verlangte, bevor ich es zur Ordnung rufen konnte, impulsiv danach, dem jungen deutschen Mann Geld zu geben. Schnell züchtigte ich es; ich gebe prinzipiell niemanden Geld, der mich in der Bahn akustisch belästigt und mich zwingt, zuzuhören. Aber erstaunlich, wie schnell ich da bereit bin, Zugeständnisse zu machen, wenn der Musiker optisch meinem Sozialisationshintergrund entspricht!
Weiterhin hatte der junge Mann seiner Meinung nach Star-Qualitäten und war ein echter Rocker. Ich hatte fast erwartet, dass er nach seiner Performance anfängt, seine CD zu verkaufen. Er war auch offensichtlich nicht gut auf die Bühne im ÖPNV vorbereitet, weil er sonst wahrscheinlich nur am Lagerfeuer und in Clubs spielt: sein Stück dauerte genau 1,5 Haltestellen lang, was natürlich blöd ist, weil die Hälfte des unfreiwilligen Publikums während des Liedes ausstieg.
Ich frage mich trotzdem: erreicht er damit vielleicht sogar mehr Leute als über Youtube? Kann er das für seine Biographie gut verwenden? "Mein erstes Geld mit der Musik verdiente ich in der Berliner S-Bahn..." Mal sehen. Ich verfolge das weiter.
Aber Geld gebe ich trotzdem nicht.
Mein Gehirn verlangte, bevor ich es zur Ordnung rufen konnte, impulsiv danach, dem jungen deutschen Mann Geld zu geben. Schnell züchtigte ich es; ich gebe prinzipiell niemanden Geld, der mich in der Bahn akustisch belästigt und mich zwingt, zuzuhören. Aber erstaunlich, wie schnell ich da bereit bin, Zugeständnisse zu machen, wenn der Musiker optisch meinem Sozialisationshintergrund entspricht!
Weiterhin hatte der junge Mann seiner Meinung nach Star-Qualitäten und war ein echter Rocker. Ich hatte fast erwartet, dass er nach seiner Performance anfängt, seine CD zu verkaufen. Er war auch offensichtlich nicht gut auf die Bühne im ÖPNV vorbereitet, weil er sonst wahrscheinlich nur am Lagerfeuer und in Clubs spielt: sein Stück dauerte genau 1,5 Haltestellen lang, was natürlich blöd ist, weil die Hälfte des unfreiwilligen Publikums während des Liedes ausstieg.
Ich frage mich trotzdem: erreicht er damit vielleicht sogar mehr Leute als über Youtube? Kann er das für seine Biographie gut verwenden? "Mein erstes Geld mit der Musik verdiente ich in der Berliner S-Bahn..." Mal sehen. Ich verfolge das weiter.
Aber Geld gebe ich trotzdem nicht.
sakra - 19. Okt, 08:52