Im Bundestag

Sonntag, 13. November 2011

Büro-Ungetüme

Ich weiß nicht, wie viele Personen insgesamt im Deutschen Bundestag arbeiten. Es muss in die Zehntausende gehen, wenn man Verwaltung, MdBs und deren Büros sowie die Angestellten der Fraktion mit einbezieht. Ich weiß aber, dass der Komplex der Gebäude enorm ist. Alleine vier Bürogebäude bilden das "Band des Bundes", meines ist eines davon und umfasst alleine 8 Häuser. Wenn ich zum anderen Ende des Gebäudes will, plane ich zehn Minuten Fussweg ein.

Unterirdisch ist das Band des Bundes so konzipiert, dass alle Gebäude miteinander verbunden sind. Ich muss also nicht an die frische Luft, um in den Bundestag zu gelangen, sondern laufe in den belebten Katakomben wiederum etwa zehn Minuten und kann dann per Fahrstuhl direkt vor den Fraktionssaal fahren.

Die Gebäude selber sind sehr beeindruckend, viel Glas und Holz und Beton - verbunden mit wirklich kolossalen Ausblicken, wenn man über die Gebäudebrücke die Spree überquert - also so:

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Der Besuch der Reichtagskuppel selber ist immer einen Abstecher wert, wegen eben dem Ausblick, aber auch dem intelligenten Ausio-Guide, der wahrscheinlich per Sensoren feststellt, an welcher Stelle der Kuppel man sich befindet, dann freundlich empfiehle: "Bleiben Sie jetzt bitte stehen!" und bei Gehorsam die Aussicht erläutert. Verweigert man sich, beginnt er optimistisch mit der Beschreibung und blendet dann leise aus, wenn man sich vom Sensor wieder entfernt. Ein sehr schöner Effekt!

Nun, lieber Besuch, das bekommt ihr dann persönlich vorgeführt. Bis bald!

Montag, 7. November 2011

Mein Magen

Erste Veranstaltung im Bundestag, die meine Kollegin und ich ganz alleine organisiert haben. Das war ein Abenteuer: als Neulinge haben wir beide keinen Schimmer von den Strukturen, unsere Chefin hatte ebenfalls keine Erfahrungswerte, und so war das Ganze ein bisschen sehr ins Blaue hineinorganisiert. Die Anmeldezahl entlockte der Pressestelle den Kommentar: "Das ist ja eine Katastrophe!", die Öffentlichkeitsrabeit liess sich zu einem "Nichts ist gut!" hinreißen. Aber so ist es jetzt... wir lernen daraus, die Veranstaltungen in Zukunft nicht im Bundestag stattfinden zu lassen, wenn sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Ich bin hochgradig angespannt, obwohl es jetzt nichts mehr zu tun gibt. Eigentlich heißt es jetzt nur noch: zurücklehnen, der Podiumsdiskussion zuschauen und entspannen. Leider schaffe ich das nicht so ganz, ich neige zum Pessimismus und habe eine rege Fantasie. In solchen Situationen eine fatale Kombination. Zum Glück ist meine Kollegin extrem relaxt und plant gerade ein ausgiebiges Mittagessen - vom Schreibtisch gegenüber höre ich gemurmelte Wortfetzen, die "halbes Hähnchen" und "Schweinebraten" beinhalten. Neenee, nicht mit mir... die Nervosität schlägt mir auf den Magen, ich werde heute nicht viel herunterbekommen. eine Wassersuppe, das wäre jetzt das richtige, mit einem Stück Zwieback.

Ich freue mich auf in zehn Stunden, wenn ich in der Bahn sitze, auf dem Weg nach Hause bin und es nur noch gilt, sich auf den Urlaub zu freuen.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Probier mal den hier!

Chor des Bundestages, Sonderprobe von 10:20 Uhr bis 15:30. Für die Mittagspause soll jedes Mitglied etwas zum "Picknick" mitbringen. Picknick, ha! Dass ich nicht lache! ICH habe einen Obstsalat mitgebracht. Die Hälfte des Chores selbstgebrannte Obstliköre. Kann ja keine ahnen, dass das als bring-bottle-Party gemeint war... Jedenfalls singt es sich so halb betrunken ganz gut durchs "Gloria", sogar im Sopran. Schwierig wurde es dann nur bei den Wiederholungen ("Hups, wo ist nochmal Seite 14? Hick... ah ja, hier... nee... oh je... ").

Weihnachten kann kommen.

Samstag, 22. Oktober 2011

Nur dabei statt mittendrin

Der Weg zur Fraktionssitzung war ja schon aufregend, die Fraktionssitzung an sich aber auch interessant. Zunächst einmal ist der Fraktionssaal riesig – etwa 200 Quadratmeter. 144 Abgeordnete, davon 2/3 Männer, und ihre Egos brauchen Platz. Ich hatte Zeit, die Wandpaneele zu zählen, zu schätzen und zu rechnen und mich nebenbei etwas wegen meiner Turnschuhe zu winden. Mit Klettverschlüssen! Hammercool, aber ich fiel etwas aus dem Rahmen.

Der Ablauf ist ungefähr so: der Fraktionsvorstand sitzt vorne, frontal zum gemeinen Abgeordnetenpack. Große, große Namen, einige habe ich bereits persönlich kennengelernt, andere kenne ich aus der Presse, einige sagen mir mal so gar nix. Aber auch total groß, das sieht man an den Namensschildern.
Der Parlamentarische Geschäftsführer spricht (den kannte ich bis dahin nur als den Mann, zu dem ich Kostenanträge für Veranstaltungen schicken muss, aber siehe - der scheint auch sonst wichtig zu sein), dann spricht der Fraktionsvorsitzende, dann wollen die Abgeordneten selber auch was sagen – relativ unspektakulär. Interessant aber alles, was drum herum passiert: Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, es wird gegessen, die Abgeordneten treffen sich in kleinen Grüppchen an Tischen von besonders beliebten Abgeordneten, es wird getuschelt und Absprachen getroffen. Auch das Parteioberhaupt verlässt ab und an seinen Platz, um jemanden an den Rand zu zerren und zu fraternisieren. Ganz offensichtlich ist eine Fraktionssitzung eine Gelegenheit, alle mal auf einen Haufen zu haben. Die Redebeiträge vorne stören bei dem offensichtlich wichtigen Geschehen im Saal kaum – muss halt sein, ne.

Sogar mein Personalmensch lief herum und fing alle ab, mit denen er noch sprechen musste, inklusive mich wegen des Termins zum Mittagessen. Die Stimmung: eher große Pause als ernsthafte Arbeit.

Ach ja, es ging um den Euro-Rettungsschirm. Das Ergebnis ist bekannt.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Möp. Möp.

Grauenhafter Lärm ums Büro herum. Alarm, Alarm, aber irgendwie nicht so derbe dringlich, eher nervig. Ein dunkles Tuten. Ich denk so: joah. Von draußen. Die Baustelle.

Ich will zur Toilette und merke, der grauenhafte Lärm kommt aus dem Flur, und genau da stehe ich sehr alleine: auf weiter Flur. Die Nebenbüros sind leer, aber ein paar Gestalten tapern lässig durch die Gegend - ein Feueralarm ist es nicht. Ein Kollege weiß Bescheid: es ist der Ruf zur namentlichen Abstimmung. Alle MdBs haben im Plenum zu erscheinen, aber pronto! Es geht um den Rüstungsexport.

Meine Güte, ich kann so nicht arbeiten, belästigt durch die Konsequenzen der Undisziplin der Volksvertretenden. Das ist ECHT laut. Hallo...! Ich muss hier einen Gesetzesentwurf durcharbeiten, zur Gleichstellung. Also Ruhe bitte.

Danke.

Donnerstag, 29. September 2011

Neuer Job, neue Stadt, neue Situationen

Bevor ich meine Biographie aufarbeite, hier nur ein kleiner Eindruck meines neuen Wirkungskreises.

Dienstag: Fraktionssitzungstermin im Bundestag. Ich wollte mir das gerne ansehen (Kollege: "Ja, genau. Entzaubere dich mal.")

Da an diesem Tage alle Fraktionen wichtige Sitzungen hatten, namentlich die Regierungsfraktionen, bei denen Testabstimmungen zum Euro-Rettungsschirm abgehalten wurden, war recht viel los im Bundestag. Ich irrte zunächst im falschen Stockwerk herum, nahm unbedacht irgendeinen Fahrstuhl und landete neben dem Fraktionssaal der FDP. Das muss man sich so vorstellen: Die Fahrstuhltür öffnet sich. Ich trete heraus und blicke ungefähr zeahntausend Kameras, Journalisten, Mikrofonen entegegen. Ich stocke. Man will ja nicht durchs Bild laufen... aber offensichtlich BIN ich schon im Bild. Ich eiere herum, mache einen Schritt vorwärts, einen rückwärts, ich habe Angst und bekomme einen ungefähren Eindruck von, sagen wir, Lindsay Lohans Leben. Die Tür neben mir öffnet sich, Guido Westerwelle rauscht heraus, hinter ihm ungefähr 30 Trilliarden Leute. Guido hat eine neue Brille, alle gucken wild entschlossen und tatkräftig und Euro-kompetent, die Presse flippt aus. Ich bin beeindruckt. Von der Presse.

Eine FDP-Chargin bemerkt meine Unbedarftheit und zeigt mir einen Korridor in Richtung des korrekten Fraktionssaals. Es bleibt mir nicht erspart, an etwa 50 weiteren Pressehaufen vorbeizuschleichen, ständig die Angst im Nacken, irgendwie zu stören. Wenn jetzt gerade noch eine Tür aufgeht und jemand Wichtiges herauskommt und mit mir zusammenstößt - alleine die Vorstellung ist mir unangenehm.

Jaja, zu viel Respekt. Das wird vorbeigehen, versichern mir die Referenten-Kollegen - man muss da einfach durchrauschen. Die Presse sorgt schon dafür, dass man nicht ins Bild läuft. Oder einfach später kommen, wenn die Horden ins Studio zurückgeflitzt sind.

Über mich und diesen Blog

Ich bin weiblich, 31 Jahre alt, Soziologin und arbeite seit kurzem im Bundestag als Referentin für die Fraktion einer großen Oppositionspartei. Über die Erlebnisse im Politikbetrieb möchte ich hier gerne berichten, da ich da absolut neu bin und es sehr interessant finde, die Strukturen und die Inszenierung von Macht live zu erleben. (Yeah, Soziologendeutsch!) Namen aus "meiner" Fraktion werde ich nicht nennen, auch wenn vielleicht ab und zu nachvollziehbar ist, um wen es geht. Ich arbeite im Gleichstellungsbereich, also wird es hier überdurchschnittlich oft Beiträge geben, die etwas mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben. Da ich außerdem neu in Berlin bin, ist das Berlinerische an sich berichtenswert für mich. Privates versuche ich mal außen vor zu lassen, was vielleicht wegen meines Hanges zum Tratsch nicht immer klappen wird... Meine Vita in kurz: nach dem Aufwachsen auf dem ländlichsten aller Landstriche nutzte ich die Gelegenheit, die das Abitur bot, und verzog mich nach einem einjährigen Werbepraktikum zum Studieren der Soziologie nach Bremen. Das war super, vor allem die Zeit im Studentenwohnheim und meine Arbeit in der Kundenbetreuung eines Mobilfunkanbieters gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Ein Jahr arbeitete ich danach als Assistentin der Geschäftsführung in einem feministischen freien Träger, bis mir die Feministinnen zu arg wurden und ich der Liebe und der Familie und des Berufes wegen nach Hamburg ging. Meine erste Referentinnenstelle fand in einer Hamburger Behörde statt, befristet. So tat es kein Wunder, dass die Wirtschaftskrise und die Hamburger Neuwahlen-Krise mich in meine persönliche Arbeitslosigkeits-Krise stürzten. Es folgten einige Monate ALG1 und dann das Angebot aus Berlin - halbe Stelle, supi bezahlt. Ich zog um. Das hat viel Pendeln wegen Wochenendbeziehung zur Folge, aber auch die Tatsache, dass ich das erste Mal in meinem Leben ganz alleine wohne. Die WG-Zeit ist vorbei. Es ist also alles spannend, und daher dieser Blog. Viel Spaß.

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