Mittwoch, 2. Mai 2012

Erkenntnisse beim Joggen

Vorab: ich hasse joggen. Ich mag sowieso keine Ausdauersportarten, das ist so langweilig und anstrengend und man macht es immer alleine, ich weiß aber, dass ich einen Ausgleich zu der ganzen Kletterei brauche. Wenn also das Wetter wie heute zu gut für innerhäusliche Hopserei oder Hallenbad ist, ich sonst weiter nichts vorhabe und der Abend noch jung ist, dann gehe ich mal joggen und stelle dabei so einiges fest.

Zum Beispiel die Schmerzen. Die Schmerzen wandern. In einer 30-Minuten-Einheit (länger geht wirklich nicht, dann sterbe ich vor Langweile) stellt sich das regelmäßig so dar: In den ersten zwei Minuten tun die Knie weh, der Rippenbogen schmerzt und der Zeh zwickt. Nach sieben Minuten signalisiert der Körper: "Läuuuft. Kann ewig so weitergehen!" Ab Minute zehn hat es sich der Körper anders überlegt, die Langeweile setzt ein, ich suche heimlich nach Gründen zum Abbruch oder zumindest einer Gehpause. Aber nein, der Wille muss siegen, nur das Fleisch ist so schwach! Ich prügele den alten Sack von Körper weiter und bemitleide mich selber. Die Schmerzen, offensichtlich psychosomatischer Natur wegen des seelischen Stresses, wandern ins Schienbein (!) und neben die Nase (!!). Ab Minute 23 brennen Oberschenkel und Waden, allerdings moderat, und drei Minuten vor Schluss zieht es im hinteren Knie. Nee, ist klar, jetzt erst recht, das kann ja wohl nicht sein... Heißt das etwa am Ende, dass ich unfit bin und mehr joggen müsste? Oder eher, dass ich zu viel Sport mache und der Verschleiß schon so hoch ist, so dass ich mich schonen müsste? Ich entscheide mich für letzteres und schenke mir eine Minute. Abbruch bei Minute 29. (Später lese ich auf der Couch, dass man bei regelmäßigen Joggen etwa 2,5 Jahre Lebenszeit mit diesem Sport verbringt, aber nur etwa 3 Jahre Lebenszeit durch diese irre gesunde Sache dazugewinnt. Als Selbstzweck also völlig ungeeignet. Ich liege daher richtig mit meiner "so selten wie möglich"-Methode und bin zufrieden.)

Die Umgebung: Berlin im Sommer. Irre insgesamt und im Speziellen: Im Volkspark Hasenheide werden die Jugendlichen und der Rest der Bevölkerung seit ein paar Tagen mit den "Maientagen" bespaßt, ein Volksfest mit Fahrgeschäften, das sich heimtückisch hinter Bäumen versteckt. Diese Erkenntnis kann durchaus dramatisch sein, wenn man sich erschöpft vom vorigen Abend gegen 12:50 in den Park schleppt, Decke und Kissen (man wird nicht jünger, aber schlauer! Ein Kissen in den Park muss einfach sein!) ausbreitet, sich selber ebenfalls und nichts Böses ahnend die Augen schließt - und um 13:30 öffnen die Fahrgeschäfte hinter den Bäumen 100 Meter weiter mit Druck-Technobeschallung. Täglich. Noch drei Wochen. Erschütternd, freiheitsberaubend, erzürnend!
Anders sieht die Sache aus, wenn man im Volkspark joggen will. Die Maientage! Endlich ist die Runde nicht so langweilig! Jugendliche, Fahrgeschäfte, Slalom um die Rentner herum, und dabei kann man noch böse gucken, weil die mit ihrem laxen Rumgehänge den Weg versperren, die faulen Säcke. Nebenbei bekommt man ein paar reflexhafte Pfiffe hinterhergepfiffelt, weil die sechzehnjährigen Hormongebeutelten auf alles mit Zopffrisur reagieren, das hüpft. Joggingschuhe, Schlabbershirt, schweißnasse Haare werden großzügig ignoriert von den Jungspunden. Ich weiß das alles, nehme die fragwürdige Huldigung trotzdem entgegen und schnaufe regelmäßig empört-feministisch. Beim Joggen kann ich jede Motivation gebrauchen.

Und morgen Muskelkater. Gute Nacht.

Über mich und diesen Blog

Ich bin weiblich, 31 Jahre alt, Soziologin und arbeite seit kurzem im Bundestag als Referentin für die Fraktion einer großen Oppositionspartei. Über die Erlebnisse im Politikbetrieb möchte ich hier gerne berichten, da ich da absolut neu bin und es sehr interessant finde, die Strukturen und die Inszenierung von Macht live zu erleben. (Yeah, Soziologendeutsch!) Namen aus "meiner" Fraktion werde ich nicht nennen, auch wenn vielleicht ab und zu nachvollziehbar ist, um wen es geht. Ich arbeite im Gleichstellungsbereich, also wird es hier überdurchschnittlich oft Beiträge geben, die etwas mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben. Da ich außerdem neu in Berlin bin, ist das Berlinerische an sich berichtenswert für mich. Privates versuche ich mal außen vor zu lassen, was vielleicht wegen meines Hanges zum Tratsch nicht immer klappen wird... Meine Vita in kurz: nach dem Aufwachsen auf dem ländlichsten aller Landstriche nutzte ich die Gelegenheit, die das Abitur bot, und verzog mich nach einem einjährigen Werbepraktikum zum Studieren der Soziologie nach Bremen. Das war super, vor allem die Zeit im Studentenwohnheim und meine Arbeit in der Kundenbetreuung eines Mobilfunkanbieters gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Ein Jahr arbeitete ich danach als Assistentin der Geschäftsführung in einem feministischen freien Träger, bis mir die Feministinnen zu arg wurden und ich der Liebe und der Familie und des Berufes wegen nach Hamburg ging. Meine erste Referentinnenstelle fand in einer Hamburger Behörde statt, befristet. So tat es kein Wunder, dass die Wirtschaftskrise und die Hamburger Neuwahlen-Krise mich in meine persönliche Arbeitslosigkeits-Krise stürzten. Es folgten einige Monate ALG1 und dann das Angebot aus Berlin - halbe Stelle, supi bezahlt. Ich zog um. Das hat viel Pendeln wegen Wochenendbeziehung zur Folge, aber auch die Tatsache, dass ich das erste Mal in meinem Leben ganz alleine wohne. Die WG-Zeit ist vorbei. Es ist also alles spannend, und daher dieser Blog. Viel Spaß.

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