Samstag, 28. April 2012

Einleben

Eine neue Arbeit, eine neue Stadt - zumindest meine GeisteswissenschaftsgenossInnen, so sie sich nicht früh festgelegt haben, was den Ort angeht, wissen, wie das ist. Berlin, Hamburg, Münster, Aachen, München, Rostock, Lüneburg, Köln, Brüssel - wo man nicht überall landen kann! Und ich rede nicht von Erasmus. Ha, Erasmus! Mit partywütigen Jungstudenten in WGs fremdorganisiert ein halbes Jahr rumzuvö...- äh, rumzufeiern, das kann ja wohl jeder. Ich rede davon, sich auf unbestimmte, aber definitv längere Zeit in einer fremden Stadt in einer eigenen Wohnung einzurichten, während man einer Erwerbsarbeit in einem überschaubaren Team nachgeht, von dem mindestens die Hälfte der Leute als Privatgesprächspartner mal so gar nicht in Frage kommen. Was tun? Wo bekommt man Leute her, die einem die Freizeit versüßen? Vor allem, wenn man nicht die Absicht hat, 60 Stunden und mehr bei der Arbeit zu verbringen... Eine Momentsaufnahme mit Überblick, nach Umgebungen sortiert.

1. Die Arbeit
Erste Gelegenheit, soziale Kontakte zu knüpfen. Erste Maßnahme: ruhig mal alle zu fassenden Menschen zum Mittagessen schleppen, auch wenn man sich dabei aufdringlich vorkommt. Die meisten Kolleg_innen bieten sich da auch an, weil alle schon einen neuen Job hatten, bei denen man niemanden kennt. Jedes, aber auch wirklich jedes Angebot zu sozialen Interaktionen wahrnehmen, und wenn es der gemeinsame Besuch des Betriebschores in der Adventszeit ist. Neueste Erfahrung: wenn man eine Party schmeißt, alle auffällig netten Kollegen einladen. Die freuen sich und die Beziehung zueinander wird eindeutig privater. Gemeinsames Saufen intensiviert jede aufblühende Bekanntschaft. Persönliche Ausbeute nach 8 Monaten Berlin: vier KollegInnen zum regelmäßigen Mittagessen, Party letztes Wochenende hinter sich gebracht, mal sehen, was da noch außer Haus geht. Aber mühsam ernährt sich das Eichhörnchen bei der Arbeit.

2. Schon vorhandene Kontakte
Schwer nachdenken: wen kennt man schon in der neuen Stadt und wen könnte man mal anschreiben oder anrufen, ohne sich komplett zum einsamen Affen abzustempeln? Ruhig großzügig streuen, nicht nur bei den Ex-Uni-Freunden: Alte Urlaubsbekanntschaften, entfernte oder nahe Verwandschaften, Freunde von Freunden. Kann klappen, muss nicht. Vielleicht haben die Leute schon genug Freunde und warten unverschämterweise gar nicht darauf, dass sich neu Zugezogene in ihr Leben drängen und mit ihnen kochen wollen, und der Misserfolg kann einen ziemlich beißen, wenn man sich sowieso etwas einsam fühlt. Bei mir gings im Endeffekt ganz gut. Eine Tante, eine Cousine, ein Freund des Schwagers in spe, eine alte Kollegin aus Hamburg, eine Urlaubsfreundin. Und so ein paar doofe Leute, die anscheinend nicht darauf gewartet haben, dass ich endlich in Berlin bin. Pah.

3. Hobbys
Jaja, ein leidiges Thema. Hobbys sollen Spaß machen, und sie machen mit den richtigen Leuten mehr Spaß. Ohne Leute hat man vielleicht keine Lust auf Hobbys, und dann lernt man auch niemanden kennen. Man muss es schon wollen, und man muss etwas Geduld haben. Ich habe schon dermaßen viele Kletterpartner ausprobiert, und die Fragen, denen man sich hinterher stellt, sind wie bei Dates: Treffen wir uns wieder? Wird es was Festes? Hat es gefunkt? Hier können Kontaktbörsen im Internet hilfreich sein - in meinem Falle hatten sich einfach ein paar Leute getroffen, die sich vorher nicht kannten, das hat es für alle einfach gemacht. Bei einigen hat es tatsächlich gefunkt - meine Lieblingskletterpartnerin geht mit mir essen und trinken, ins Kino, zum Tanzen, kocht mit mir und bietet ihre Wohnung für Partys an. Ihre Schwester ebenso, und mit C. und seiner Freundin erweitert es sich gerade.

4. Kontaktbörsen
Was ich auch mal versucht habe: eine Anzeige auf new-in-town.de, um Kickerpartner zu suchen. Die Meldequote war enorm, aber die Schnittmengen zu niedrig. Zu viele Single-Männer auf der Suche nach irgendwas... Och nö.

5. Party schmeißen
Und weiter gehts... alles zieht weitere Bekanntschaften nach sich. Auf der Party waren Freunde, die Freunde mitbrachten, welche auch klettern... Menschen, die man vom Klettern schon vom Sehen kannte... Und so weiter.

Muss man alles nicht machen, und mühsam ist es allemal. Eine gewisse Sozialträgheit ist ziemlich normal, wenn man die 30 überschritten hat - neue Leute kennenlernen ist einfach anstrengend, und man will nun mal nicht immer alles in den Ring werfen und sich nach der Arbeit noch von der besten Seite zeigen. Aber es ist schon schön, wenn man es sich aussuchen kann, ob man den Abend zu Hause verbringt oder rausgeht. Und sei es nur zur Tante zum Film gucken (ich hab zugegebenermaßen auch Glück mit meiner Tante). Als ehemalige leichte Sozialphobikerin bin ich mit dem momentanen Stand ganz zufrieden. Fast. Denn eines fehlt.

Und so kommen wir zur Masterfrage: Wo bekommt man als Frau ohne WG neue männliche Kumpel her? Seufz.

Über mich und diesen Blog

Ich bin weiblich, 31 Jahre alt, Soziologin und arbeite seit kurzem im Bundestag als Referentin für die Fraktion einer großen Oppositionspartei. Über die Erlebnisse im Politikbetrieb möchte ich hier gerne berichten, da ich da absolut neu bin und es sehr interessant finde, die Strukturen und die Inszenierung von Macht live zu erleben. (Yeah, Soziologendeutsch!) Namen aus "meiner" Fraktion werde ich nicht nennen, auch wenn vielleicht ab und zu nachvollziehbar ist, um wen es geht. Ich arbeite im Gleichstellungsbereich, also wird es hier überdurchschnittlich oft Beiträge geben, die etwas mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben. Da ich außerdem neu in Berlin bin, ist das Berlinerische an sich berichtenswert für mich. Privates versuche ich mal außen vor zu lassen, was vielleicht wegen meines Hanges zum Tratsch nicht immer klappen wird... Meine Vita in kurz: nach dem Aufwachsen auf dem ländlichsten aller Landstriche nutzte ich die Gelegenheit, die das Abitur bot, und verzog mich nach einem einjährigen Werbepraktikum zum Studieren der Soziologie nach Bremen. Das war super, vor allem die Zeit im Studentenwohnheim und meine Arbeit in der Kundenbetreuung eines Mobilfunkanbieters gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Ein Jahr arbeitete ich danach als Assistentin der Geschäftsführung in einem feministischen freien Träger, bis mir die Feministinnen zu arg wurden und ich der Liebe und der Familie und des Berufes wegen nach Hamburg ging. Meine erste Referentinnenstelle fand in einer Hamburger Behörde statt, befristet. So tat es kein Wunder, dass die Wirtschaftskrise und die Hamburger Neuwahlen-Krise mich in meine persönliche Arbeitslosigkeits-Krise stürzten. Es folgten einige Monate ALG1 und dann das Angebot aus Berlin - halbe Stelle, supi bezahlt. Ich zog um. Das hat viel Pendeln wegen Wochenendbeziehung zur Folge, aber auch die Tatsache, dass ich das erste Mal in meinem Leben ganz alleine wohne. Die WG-Zeit ist vorbei. Es ist also alles spannend, und daher dieser Blog. Viel Spaß.

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